Bundesverwaltungsgericht: Fahrverbote zulässig | Handwerk befürchtet Versorgungsengpässe, Unternehmensschließungen und Arbeitsplatzverluste bei Umsetzung
Das Bundesverwaltungsgericht hat bestätigt, dass im Rahmen eines Luftreinhalteplans Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge ausgesprochen werden dürfen. „Was auf den ersten Blick nur nach einem Problem weniger Ballungsgebiete aussieht, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als flächendeckende Gefahr für die Handwerkswirtschaft und ihre Auftraggeber“, betont der Präsident der Handwerkskammer Südwestfalen, Willy Hesse. „Das Handwerk hat seine Kunden nicht nur in der Nachbarschaft. Im Gegenteil: Viele Betriebe z. B. aus den Bau- und Ausbauhandwerken sind tagtäglich im weiten Umkreis unterwegs. Genauso beliefern Betriebe der Nahrungsmittelhandwerke Filialen in den Ballungszentren. Fast jeder zweite Betrieb im Handwerk ist auf den Diesel angewiesen – alternativlos! Umstellungsmöglichkeit auf Gas-, Elektro- oder Hybridantriebe? Fehlanzeige. Mobilität gehört aber zum Geschäftsmodell von Handwerkern. Heizkessel, Fensterglasscheiben oder sperrige Rohre lassen sich nicht auf dem Fahrrad oder mit dem ÖPNV zum Kunden transportieren. „Eine Aussperrung von Dieselfahrzeugen würde nahezu den gesamten Liefer-, Bau-, und Monteurverkehr des Handwerks zum Erliegen bringen“, warnen die Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Märkischer Kreis, Christian Will und Thomas F. Bock unisono. Immerhin sind rund vier Fünftel der Fahrzeuge mit einem Selbstzünder ausgestattet. Ein Dieselfahrverbot wäre für die Betroffenen faktisch eine Enteignung von Betriebsvermögen und würde zahlreichen Betrieben die Existenzgrundlage entziehen. Unternehmensschließungen und Arbeitsplatzverluste wären die Folge.
Leidtragende wären zudem die Beschäftigten im Handwerk, die mit einem Diesel-PKW an eine Baustelle bzw. zu ihrer Arbeitsstelle gelangen müssen. Rund 83 Prozent der Handwerkerflotte sind dieselbetrieben. Nahezu jeder zweite Handwerksbetrieb im Großraum Düsseldorf wäre von einem Dieselfahrverbot wirtschaftlich erheblich oder sogar existenziell betroffen. Für 90 Prozent der Handwerksunternehmen gibt es am Markt gar keine andere Möglichkeit.
Fahrverbote sind nicht alternativlos. Es gibt zahlreiche Maßnahmen und Lösungswege, mit denen sich Schadstoffe spürbar reduzieren lassen. Diese Möglichkeiten müssen ausgeschöpft werden. Mit intensiven Anstrengungen aller Beteiligten ist es in den meisten Städten möglich, die Grenzwerte in absehbarer Zeit zu unterschreiten. Eine nachhaltige Luftreinhaltepolitik erfordert ein breites Herangehen unter Einbezug aller NOX-Emittenten. Dazu gehören die Erneuerung der Busse mit dem Umstieg auf alternative Antriebe, eine Förderung von Carsharing, E-Mobilität, eine deutliche Ertüchtigung des ÖPNV, eine bessere Verkehrslenkung und Verkehrsverflüssigung sowie eine konsequente Orientierung am Leitbild der „Stadt der kurzen Wege“. Das Handwerk warnt dringend davor, Luftreinhaltepläne in Kraft zu setzen, die ein generelles Einfahrverbot für dieselbetriebene Fahrzeuge enthalten. Das Handwerk erwartet eine umfassende Prüfung der Verhältnismäßigkeit durch die betroffenen Kommunen.
Das Handwerk hat in den letzten Jahren – in der werblich geschürten Gewissheit, „saubere“ Fahrzeuge anzuschaffen – mit erheblichem finanziellen Aufwand seinen Fuhrpark weitgehend runderneuert. Mehr als jedes zweite Fahrzeug erfüllt inzwischen mindestens die Euro5-Norm und ist höchstens vier Jahre alt. Es kann nicht sein, dass praktisch neue Fahrzeuge jetzt stillgelegt werden müssen. Die Fahrzeugindustrie hat die Grenzwertüberschreitungen zu verantworten und hat diese nun zügig und für Fahrzeugnutzer und Werkstattbetriebe des Kfz-Gewerbes kostenneutral zu beseitigen. Der ADAC hat die Wirksamkeit von Hardware-Nachrüstungen an Euro5-Dieselfahrzeugen nachdrücklich unter Beweis gestellt: Bis zu 70 Prozent (innerorts) beziehungsweise 90 Prozent (außerorts) weniger Schadstoffausstoß lassen sich durch Nachrüstungen an solchen Fahrzeugen erreichen.